Der EuGH hat mit seinem Urteil in der Sache Ince (EuGH, Urt. v. 04.02.2016 – C-336/14) nun ausdrücklich zu der Unionsrechtskonformität der aktuellen Situation in Deutschland bezüglich der Vergabe von Sportwettenerlaubnissen Stellung nehmen müssen. Vordergründig ging es dabei um die Frage, ob die Betreiberin einer Gaststätte, in welcher Wettautomaten einer in Österreich konzessionierten Gesellschaft aufgestellt waren, wegen der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels nach § 284 StGB bestraft werden kann. Diese Frage stellte sich, da die österreichische Gesellschaft in Deutschland keine Erlaubnis zum Angebot von Sportwetten hatte.
Die Entscheidung ist umgehend von diversen Medien aufgegriffen worden und wurde zum Teil mit Überschriften versehen wie „EuGH erklärt Glücksspielstaatsvertrag für europarechtswidrig“. In der Beratungspraxis hat sich jedoch gezeigt, dass selten eine richtige Einschätzung dieser Entscheidung vorliegt. Es erscheint somit sicherlich sinnvoll, die Entscheidung jedenfalls hinsichtlich des diese Frage betreffenden Teils nachvollziehbar darzustellen.
Der EuGH stellt zunächst unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung klar, dass die Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion dann ausgeschlossen ist, wenn diese auf einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität beruht und der Mitgliedstaat die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Das bedeutet übertragen: Das StGB verbietet die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels. Die Strafbarkeit hängt somit von der Verwaltungsformalität der Erlaubniserteilung ab. Erteilt der Staat diese Erlaubnis nun unionsrechtswidrig nicht, so darf er keine Strafe nach § 284 StGB verhängen.
Dies vorweg gestellt verweist der EuGH weiter auf die Anwendbarkeit der Grundregeln des Vertrags, des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. Das Transparenzgebot verlange insbesondere, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar, genau und eindeutig formuliert seien. Hierdurch soll unter anderem Willkür und Günstlingswirtschaft verhindert werden.
Festzustellen, ob nun das in Deutschland vorliegende System zur Vergabe der Erlaubnisse diesen Maßgaben entspreche, sei Sache der nationalen Gerichte. Hierüber hat der EuGH keine Entscheidung getroffen. Es kann somit nicht davon gesprochen werden, dass der Glücksspielstaatsvertrag für europarechtswidrig erklärt wurde.
Allerdings hat der EuGH darauf abgestellt, dass bislang noch keine Erlaubnis an einen privaten Anbieter erteilt worden ist, während für staatliche Anbieter jedenfalls während einer Übergangsphase von einem Jahr eine solche Erlaubnis nicht erforderlich war. Damit bestehe die ursprünglich vom EuGH für unionsrechtswidrig befundene Situation faktisch fort. Die Experimentierklausel des § 10a Glücksspielstaatsvertrag könne somit die Unvereinbarkeit des staatlichen Sportwetten-Monopols jedenfalls soweit nicht beheben, wie das Monopol fortbestehe.
Die Nichterteilung der Erlaubnis beruhte somit auf einer unionsrechtswidrigen Situation, so dass entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen eine Bestrafung nicht möglich war.
Zusammengefasst lässt sich somit sagen, dass der EuGH die momentane Situation auf dem deutschen Sportwettenmarkt bezüglich der Erlaubniserteilung für unionsrechtswidrig erklärt hat. Die Experimentierklausel dient der experimentellen Vergabe von Sportwettkonzession und der Erforschung deren Auswirkungen und nicht dem Experimentieren, ob ein diesbezügliches Vergabeverfahren überhaupt (und wenn wie) umzusetzen ist.
Der Gesetzgeber muss folglich entscheiden, wie er in Zukunft eine Konformität der Situation auf diesem Markt mit dem Unionsrecht erzeugen möchte. Gerade im Hinblick auf das vollständige Scheitern des bisherigen Vergabeverfahrens erscheint die bloße erneute Vergabe – bzw. deren Versuch – für wenig zielführend. Auch hier wird es wieder Jahre dauern, bis tatsächlich rechtskräftig die ersten Erlaubnisse vergeben worden sind. Dies kann aus unionsrechtlicher Sicht nicht geduldet werden.
Gerade im Hinblick auf die deutliche Kritik auch seitens des Innenministeriums Hessen, welches für die Vergabe der Erlaubnisse zuständig war, ist anzuraten und auch zu erwarten, dass die diesbezüglichen Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag abgeändert werden und ein neues Regelungsregimen eingeführt wird. Wann dies der Fall sein wird und wie eine solche Änderung letztlich aussehen wird, ist jedoch momentan noch völlig offen.
Sollten Sie Fragen hinsichtlich der Erlaubnisfähigkeit von Sportwetten oder der Aufstellung von Wettautomaten haben, so wird Sie die Kanzlei Benesch Winkler gerne und umfassend diesbezüglich beraten.