Am 28.7.2016 hat das Wirtschaftsministerium in einem über 66 Seiten starken Papier Fragen der Regierungspräsidien zur Anwendung der Härtefallregelung sowie zur Auswahlentscheidung in Konkurrenzsituationen beantwortet. Die zum Teil völlig überraschenden Ansichten des Wirtschaftsministeriums sollen im Folgenden in der gebotenen Kürze zusammengefasst werden und es soll auf die mit ihnen verbundenen Konsequenzen für Spielhallenbetreiber in Baden-Württemberg hingewiesen werden.
Die wohl entscheidende Aussage des Wirtschaftsministeriums ist, dass beim Verhältnis zwischen Härtefallentscheidung und Auswahlentscheidung bei konkurrierenden Bewerbern um eine Spielhallenerlaubnis am gleichen Standort, die Härtefallentscheidung Vorrang vor einer etwaigen Auswahlentscheidung hat. Bei mehreren Bewerbern hat somit die Behörde zunächst über die Härtefallregelung zu entscheiden. Führt diese Prüfung dazu, dass ein oder mehrere Bewerber eine Befreiung von den Anforderungen des § 42 Abs. 1 LGlüG erhalten, so hat dies zur Konsequenz, dass damit alle Bewerber, für die entweder der Anwendungsbereich des § 41 LGlüG erst gar nicht eröffnet ist oder die bei dessen Anwendung nicht berücksichtigt werden, verdrängt werden. Sollte dagegen keinem der Bewerber ein Härtefall zugesprochen werden, ist eine Auswahlentscheidung im Verhältnis der Bewerber zueinander zu treffen.
Diese Auffassung des Wirtschaftsministeriums, welche bei weitem nicht von allen Behörden in Baden-Württemberg geteilt wird, führt zu einer rechtlich aus unserer Sicht kaum haltbaren Situation. Hat beispielsweise ein Spielhallenbetreiber im Jahr 2011 eine Spielhalle neu eröffnet und hohe Investitionen und langlaufende Mietverträge abgeschlossen, erscheint es durchaus möglich, dass dieser Bewerber einen Härtefall erfolgreich geltend machen kann. Der konkurrierende Bewerber um eine Erlaubnis, welcher bereits seit 30 Jahren an dem Standort eine Spielhalle betreibt und sich nie etwas hat zu Schulden kommen lassen und überdies gut gewirtschaftet hat und somit keinen Härtefallgrund vorweisen kann, muss daher ohne jegliche Berücksichtigung und Auswahlentscheidung seine Spielhalle schließen. Eine solche Gesetzesanwendung erscheint aus unserer Sicht kaum rechtlich vertretbar.
Interessant ist auch, dass Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern, eine „Bewertungsmatrix“ für die Auswahlentscheidung vorrangig nicht anwenden möchte. Die Frage, ob eine Härtefallsituation gegeben ist, soll grundsätzlich immer eine Entscheidung im konkreten Einzelfall sein. Wie auch bei den Hinweisen aus dem Dezember 2015 wurde den Behörden keine Positivliste von Kriterien an die Hand gegeben, welche einen Härtefall begründen können. Gleiches gilt für entsprechende Negativlisten. Vielmehr wurden die Behörden ausdrücklich gewarnt, derartige Listen anzuwenden.
Mit Hinweis auf die fehlerhaft durchgeführte Auswahlentscheidungen bei den Sportwettkonzessionen wird vom Wirtschaftsministerium darauf hingewiesen, dass eine „Bewertungsmatrix“ mit Vorgabe eines mehr oder weniger starren Punktesystems nicht von den Behörden zu Grunde gelegt werden soll. Das Wirtschaftsministerium schreibt ausdrücklich, dass man sich mit einer solchen Bewertungsmatrix, wie sie von anderen Bundesländern angewendet wird juristisch auf „dünnem Eis bewege“. Interessanterweise weist das Wirtschaftsministerium sogar die Behörden, welche bereits einen solchen Matrix anwenden haben, an, diese zurückzuziehen und die Beteiligten davon zu benachrichtigen.
Weiter gibt das Wirtschaftsministerium vor, dass bei Anträgen von konkurrierenden Bewerbern am gleichen Standort alle Bewerber schriftlich davon zu benachrichtigen sind, dass und welche Bewerber am gleichen Standort ebenfalls ein Erlaubnisantrag gestellt haben.
Zur Frage, wie lange eine Übergangsfrist im Rahmen einer Härtefallentscheidung anzusetzen ist, teilt das Wirtschaftsministerium mit, dass dies im Einzelfall festzulegen ist. Dies sei eine Ermessensentscheidung der jeweiligen Behörde, allerdings soll die Befreiung nicht über den 30.6.2021 hinaus erteilt werden.
Zu der Frage wann die Erlaubnisse zu erteilen sind, teilt das Wirtschaftsministerium mit, dass die Verwaltungsverfahren grundsätzlich zügig durchzuführen sind. Sobald ein Antrag entscheidungsreif sei, soll er ohne weiteres Zögern beschieden werden. Es wird darauf hingewiesen, dass ein Zögern, trotz vorliegender Entscheidungsreife zu Problemen mit den Vorgaben des Staatsgerichtshofes führen könne.
Interessant ist weiter, dass das Wirtschaftsministerium die Auffassung vertritt, dass wenn es zu einer Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Spielhallen kommt, die Losentscheidung das „letzte Mittel der Wahl“ sein soll. Im Ergebnis suggerieren aber die Hinweise, dass die Behörden doch vorrangig möglichst einen Härtefall bejahren sollen, damit man gar nicht erst zu der unliebsamen Auswahlentscheidung kommt.
Weiter vertritt das Ministerium die Auffassung, dass auch trotz Vorliegen eines Härtefallgrundes ein Härtefall versagt werden kann, wenn im konkreten Einzelfall eine Gefahr dahingehend besteht, dass die Ziele des Glückspielstaatsvertrages gefährdet werden. Insofern habe die Behörde ein entsprechendes Ermessen.
Erteilt eine Behörde eine neue Vollkonzession, so soll nach Ansicht des Wirtschaftsministeriums nicht automatisch diese auf 15 Jahre befristet werden. Vielmehr stehe der Behörde hinsichtlich der Befristung eine gewisse „Bandbreite“ zur Verfügung. Die Untergrenze dürfte wohl vier Jahre betragen. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass es für Baden-Württemberg noch keine gerichtlichen Entscheidungen hierzu gibt.
Weiter wurde von Regierungspräsidien angefragt, ob denn tatsächlich eine zeitgleiche Entscheidung über alle Anträge an einem Standort erfolgen muss. Dies wäre in großen Städten problematisch. Das Wirtschaftsministerium vertritt die Auffassung, dass bei Vorliegen mehrerer Erlaubnisanträge konkurrierender Bewerber am gleichen Standort die Notwendigkeit einer zeitgleichen Entscheidung der Behörde über alle Anträge besteht, da über den Antrag eines einzelnen Bewerbers nicht ohne die Beurteilung der konkurrierenden Anträge entschieden werden kann. Dies gelte insbesondere, wenn über Härtefallanträge entschieden werden muss.
Sollten der Behörde bei der Begründung des Härtefalls durch den Betreiber einzelne Punkte nicht plausibel erscheinen, so geht das Ministerium davon aus, dass dies im Rahmen eines Hinweisschreibens gegenüber dem Betreiber benannt wird und dieser aufgefordert wird nachzubessern bzw. weitere Belege vorzulegen. Dies wird damit begründet, dass in einem solchen Fall die Behörde bei einer gerichtlichen Anfechtung „bessere Karten“ habe, wenn sie dem Betreiber im Vorfeld ermöglicht ausreichend mitzuwirken. Es wird allerdings ausführlich darauf hingewiesen, dass es Aufgabe des Betreibers sei ein Härtefall durch Einreichung der notwendigen Unterlage ausreichend zu begründen. In diesem Zusammenhang bleibt spannend abzuwarten, wie eine Behörde den Spagat schaffen möchte, auf der einen Seite den abgelehnten Bewerber über die Gründe zu informieren und auf der anderen Seite, keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder Informationen aus den persönlichen Lebensumständen zu offenbaren.
Eine weitere bemerkenswerte Aussage des Ministeriums ist die, dass wenn bei mehreren konkurrierenden Spielhallen mehreren ein Härtefall zugebilligt wird, allerdings die Übergangsfrist unterschiedlich lang ausfällt, womöglich die Spielhalle am Ende weiterbestehen kann, die die längste Übergangsfrist aufgrund des Härtefalls erhalten hat, da die anderen Spielhallen womöglich zwischenzeitlich verschwinden und sodann diese Spielhalle eine neue Vollkonzession erhalten kann.
Weiter ist interessant, dass nach Auffassung des Ministeriums das dem Ablaufen einer Härtefallfrist kein neuer Härtefallantrag gestellt werden kann und zwar selbst dann nicht, wenn neue Aspekten zu einer neuen Beurteilung der unbilligen Härte führen würden.