Wie schon an dieser Stelle angekündigt, waren wir anwesend bei der Sitzung des Bundesverwaltungsgericht bezüglich diverser Fragen zu den landesgesetzlichen Regelungen der Länder Berlin und Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Erlaubnis und dem Betrieb von Spielhallen. Im Folgenden soll ausführlich von der Verhandlung berichtet werden. Zusammengefasst war es eine sehr intensiv geführte, 11-stündige Verhandlung mit tiefgreifenden rechtlichen Diskussionen. Der folgende Text ist daher entsprechend lang und gibt das Gesagte nur bruchstückhaft wieder. Das Gericht hat sich letztlich allerdings wenig in die Karten schauen lassen, scheint aber tendenziell negativ bezüglich der Revisionen eingestellt zu sein.
Zur Sache:
Verhandlungsbeginn war 10:00 Uhr. Die insgesamt sechs klagenden Parteien wenden sich gegen spielhallenspezifische Regelungen der Länder Berlin und Rheinland-Pfalz. Insbesondere werden das Verbot von Mehrfachkonzessionen und der Mindestabstand zwischen Spielhallen angegriffen. Des Weiteren sind der Mindestabstand zu Jugendeinrichtungen, die Verpflichtung zur Vornahme von Selbstsperren und weitere Regelungen zum Spielhallenbetrieb Verhandlungsgegenstand. Spezifisch für Berlin wenden sich die Kläger zudem gegen die Reduzierung der Höchstzahl von Geldspielgeräten in Spielhallen auf acht bzw. auf drei, wenn Getränke und/oder Speisen ausgegeben werden sowie gegen das Verbot der Aufstellung der Geldspielgeräte in Zweiergruppen.
Nach Stellung der Anträge wies das Gericht darauf hin, dass es die Revisionen vollumfassend für zulässig halte und wandte sich im Anschluss als erstes einigen spezifischen Verfahrensrügen in einzelnen konkreten Verfahren zu, was kurz diskutiert wurde.
Danach wurde das Thema der formellen Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen – insbesondere im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder – besprochen. Das Gericht stellt hier zur Strukturierung der Verhandlung zunächst einige Fragen. Unter anderem merkte an, es habe in den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für eine enge Auslegung der Kompetenz gefunden. Man müsse fragen, ob ein enges Verständnis der Kompetenzzuweisung dem Ziel der Föderalismusreform gerecht werden würde.
Hierauf wurde zunächst von Seiten der Kläger umfassend Stellung genommen. Es sei aus den Gesetzesmaterialien deutlich ersichtlich, dass den Ländern allein das Recht der Spielhallen zugesprochen werden sollte, nicht das Recht der Aufstellung der Geldspielgeräte. Dies ergebe sich zwar nicht aus den Bundestagsdrucksachen, lasse sich jedoch aus den Beratungsmaterialien herleiten, die ebenfalls zu den Gesetzesmaterialien zählen. Nicht nur die Höchstgrenze der Spielgeräte sei eine gerätespezifische Regelung. Auch die Mindestabstandsregelungen hätten die Absicht einer Reduktion der Spielgeräte und seien daher nicht vom Recht der Spielhallen erfasst. Ansonsten müsste man annehmen, dass in allen Bundesländern, in denen keine ausdrückliche Regelung zur Automatenanzahl in Spielhallen besteht, überhaupt keine Begrenzung mehr bestünde.
Dem wurde von Beklagtenseite umfassend und wütend widersprochen. Rechtsanwalt Dr. Pagenkopf nannte eine enge Auslegung einen „Witz von Auslegung“. Dem Landesgesetzgeber würde damit quasi keine Regelungsmöglichkeit mehr gelassen. Dies sei „lächerlich“.
Der Vertreter des Bundesinteresses schloss sich dagegen der engen Auslegung des Begriffs „Recht der Spielhallen“ an, wies aber darauf hin, dass das Bundeswirtschaftsministerium die Abstandsregelungen als vom Kompetenztitel erfasst ansehe.
Nachdem alle Beteiligten sich äußern konnten, machte das Gericht deutlich, in den zitierten Materialien weiterhin keine klare Aussage bezüglich einer engen Auslegung des Kompetenztitels finden zu können, worauf von Klägerseite geantwortet wurde, „es ginge nicht klarer“. Auch – so ein Klägervertreter – sei der Beklagtenvortrag, dass kein Regelungsspielraum mehr bliebe „etwas weinerlich“.
Nachdem noch weitere kompetenzielle Fragen wie beispielsweise ein Widerspruch zum Bauplanungsrecht umfassend diskutiert wurden, wurde der Bereich der formellen Verfassungsmäßigkeit als für hinreichend besprochen angesehen und die Verhandlung von 13:30 Uhr bis 14:30 Uhr zur Mittagspause unterbrochen.
Um 14:30 Uhr ging es weiter mit der rechtlich schwierigen Frage, ob die Regelungen zum Mindestabstand eine sogenannte objektive Berufswahlbeschränkung darstellen oder lediglich eine Berufsausübungsregelung. Dies ist relevant, da diese Einordnung bestimmt, wie intensiv der Gesetzgeber in die Grundrechte der betroffenen Gewerbetreibenden eingreifen darf. Hier wurde insbesondere darauf verwiesen, dass eine Abstandsregelung stets auch die Schaffung eines begrenzten Kontingents darstelle. Die Beklagte widersprach, es handele sich lediglich um ein Vorgehen gegen örtliche Konzentration.
Hinsichtlich des Mindestabstands und des Verbundsverbots wurde zunächst durch die Kläger kritisiert, Begriffe wie „räumliche Nähe“ oder „nähere Umstände des Umfeldes“ würden der Willkür Tür und Tor öffnen. Die Beklagte sah hierin hingegen typische unbestimmte Rechtsbegriffe, die ohne weiteres zulässig seien.
Von Klägerseite wurde weiter angeführt, das Nebeneinander von § 33i GewO und den Ausführungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag zeige deutlich, dass eine der beiden Regelungen nicht erforderlich sei. Da nicht entschieden werden könne, welche dies sei, müssten beide zunächst für verfassungswidrig erklärt werden. Auch wäre die Feststellung der Erforderlichkeit der glücksspielrechtlichen Regelungen die Feststellung, dass der Bundesgesetzgeber über Jahre hinweg in diesem Bereich versagt hätte.
Auch wurde ausgeführt, dass gerade in Mehrfachkonzessionen ein besonders hoher Spielerschutz erreicht werden könne, da hier meist mehr finanzielle Mittel dafür bereit stünden. Der Gesetzgeber habe sich offenbar aber statt für Qualität für Quantität entschieden.
Im Anschluss an den Klägervortrag fragte das Gericht die Beklagte, wie diese die Notwendigkeit von Abständen zu Jugendeinrichtungen begründe, wenn der Eintritt erst ab 18 möglich sei und die Außengestaltung keine Anreizwirkung entfalten dürfe. Die Beklagte gab an, Ziel sei es, Spielhlleen nicht als „Alltagsgegenstand“ zu etablieren. Dem wurde heftig von Klägerseite widersprochen.
Nach weiteren Ausführungen zum Land Rheinland-Pfalz wurde zum Auswahlverfahren in Berlin verhandelt. Hier wies das Gericht die Kläger darauf hin, dass sie finanziell hätten planen können, da ihnen bewusst gewesen sei, bei einer Mehrfachkonzession nur eine Halle offen lassen zu können. Dem wurde ebenfalls heftig widersprochen. Insbesondere sei durch das erst im April 2016 in Kraft getretene Mindestabstandsumsetzungsgesetz eine völlig andere Faktenlage geschaffen worden, auf die sich kein Betreiber hätte vorbereiten können.
Die meisten Fragen des Tages stellte des Gericht dem Land zum Bestimmung des Mindestabstands bei Mehrfachkonzessionen. Hier hakte es mehrfach nach, warum man nicht den Eingang jeder einzelnen Konzession zum Ausgangspunkt nehmen würde. Dieser Aspekt sei „schwierig“.
Um 17:40 wurde die Verhandlung dann bis 18:15 Uhr unterbrochen und um 18:20 Uhr fortgesetzt mit den Fragen zu den erlaubnisunabhängigen Anforderungen. Hier wurde zunächst wieder auf die Begrenzung auf maximal acht Automaten in Berlin Bezug genommen. Die Kläger verwiesen hier deutlich auf die schon fehlenden Kompetenz der Länder für eine solche Regelung.Dies gelte im Übrigen auch für das in Berlin geltende Verbot der Aufstellung in Zweiergruppen. Auch die Begrenzung der Automaten auf drei Stück beim Ausschank von Getränken oder der Ausgabe von Speisen sei kompetenzwidrig, da die Spielverordnung diese Folge nur bei Alkohol gewollt habe.
Bezüglich der Spielersperre gaben die Kläger an, dass hier nur aus datenschutzrechtlichen Gründen Klage erhoben wurde. Es sei nicht zu tolerieren, dass sämtliche Mitarbeiter ihrer Hallen vollen Zugriff auf „Krankendaten“ hätten.
Der nächste große Punkt war der sogenannte „additive Grundrechtseingriff“, also eine Erdrosselung durch die Vielzahl an belastenden Regelungen. Hier wurde diskutiert, inwiefern man Reglungen betrachten dürfte, die von verschiedenen Normgebern stammen oder verschiedene Regelungsziele haben.
Im Rahmen dieser Diskussion kam es zu einem (kleinen) Eklat, als der Beklagtenvertreter RA Dr. Pagenkopf sich zunächst über die langen Ausführungen der Kläger beschwerte, die Verhandlungsführung des Gerichts rügte und eine Trennung der Verfahren anregte. Insbesondere bezichtigte er Herrn RA Nottelmann, dass dieser keine Rechtsanwaltszulassung habe und nicht vor dem Gericht reden dürfe. Nachdem er durch das Gericht um sachlichen Vortrag gebeten wurde, weigerte er sich zunächst mit der Begründung, die „Aufnahmefähigkeit ist um 19:12 Uhr erfahrungsgemäß eingeschränkt“. Daraufhin wurde er von Seiten der Klägervertreter gerügt, er verstoße – insbesondere mit seinen Ausführungen gegen Herrn RA Nottelmann – gegen seine berufsrechtlichen Pflichten.
Im Anschluss wird die Verhandlung zum Thema Eigentum, Art. 14 GG, fortgesetzt. Hier macht das Gericht deutlich, dass es in der Erlaubnis nach § 33i GewO kein grundrechtlich geschütztes Eigentum sehe. Eine Enteignung liege schon deswegen nicht vor, weil es an einer Güterbeschaffung durch das Land fehle. Die Kläger trugen vor, sie seien unabhängig von ihrer Erlaubnis in ihrem Eigentum verletzt, da sie an ihre Immobilien gebunden seien und die Mietverträge nicht kündbar wären. Dem Hinweis der Beklagten auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, wurde mit einem Hinweis auf zwei Entscheidungen vom OLG Frankfurt und OLG Karlsruhe erwidert: Beide Gerichte hätten eine Kündigung aus diesem Grund abgelehnt.
Zum Abschluss des Tages ging es dann um einen Verstoß gegen Art. 3 GG wegen Ungleichbehandlung von Spielhallen und Spielbanken sowie Spielhallen und Gaststätten. Bei beiden sah das Gericht eine offenkundige Ungleichbehandlung, äußerte sich jedoch nicht zur Vergleichbarkeit beider Einrichtungen oder zur Rechtfertigung. Bezüglich der Spielbanken wurde ausführlich um deren Suchtrelevanz gestritten und aufgezeigt, wie wenig die Länder auf Anregungen aus der Suchtwissenschaft bezüglich neuer Spielbankenregelungen reagieren. Von Klägerseite wurde mehrfach auf die Rechtsprechung zur „Scheinheiligkeit“ verwiesen. Keine Einigkeit bestand auch bei der Frage, ob Spielhallen und Spielbanken vergleichbar seien. Während die Beklagte nur auf die Anzahl der Standorte abstellen wollte, wies die Klägerseite daraufhin, dass hier vielmehr die Suchprävention und damit die Geräte selbst betrachtet werden müssten.
Auch bezüglich der Gaststätten wurde über eine Vergleichbarkeit diskutiert. Auch wurde das als mangelhaft angesehene Vorgehen des Landes Berlin gegen „Café-Casinos“ kritisiert.
Um 21:05 Uhr endete dann eine umfangreiche, zuweilen hitzig geführte Diskussion. Leider hielt sich das Gericht durchgängig mit einer eigenen Meinung zurück, so keine Partei wusste, ob und gegebenenfalls wo sie hier noch überzeugen muss. Mit Prognosen muss man stets vorsichtig sein, aber eine für die Spielhallenbetreiber deutlich positive Entscheidung wäre zumindest überraschend, wenn das Verhalten des Gerichts richtig gedeutet wurde.