Seit Einführung des Glücksspieländerungsstaatsvertrages wurde die Frage gestellt, was konkret unter einem „Gebäudekomplex“ zu verstehen ist. Dieser Begriff hat eine besondere Bedeutung erlangt, da § 21 Abs.2 GlüStV folgendes regelt:
„In einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befindet, dürfen Sportwetten nicht vermittelt werden.“
Eine eindeutige Definition des Begriffes „Gebäudekomplex“ fehlt aber. Bei einem einheitlichen alleinstehenden Gebäude oder Gebäudekomplex ist die Anwendung in der Regel unproblematisch. In einer dicht bebauten Innenstadtlage, bei welcher die Häuser in Blockbauweise aneinander gebaut sind, ist die Beurteilung wesentlich komplizierter.
Im zu entscheidenden Fall lagen die Betriebsstätte der Spielhalle und des Sportwettbüros in benachbarten, direkt aneinander angrenzenden Gebäuden mit separaten Eingängen und unterschiedlichen Hausnummern. Beide Gebäude hatten einen unterschiedlichen Außenanstrich und befanden sich auf unterschiedlichen Flurstücknummern. Ein Durchgang oder sonstige Verbindung der beiden Gebäude gab es nicht.
Während noch das Verwaltungsgericht in erster Instanz bei der Beurteilung des eingereichten Eilantrages die Frage des „Gebäudekomplexes“ als schwierig ansah und dies dem Hauptsacheverfahren zuwies, äußerte sich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg nun Mitte Dezember 2014 zu dieser Frage überraschend umfangreich und in rechtlich zweifelhafter Weise.
Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts lag im zu entscheidenden Fall eindeutig ein einheitlicher Gebäudekomplex vor, so dass der Betrieb des Sportwettbüros gegen § 21 Abs. 2 GlüStV verstoßen würde. Auf die oben dargestellten Besonderheiten (separater Eingang, unterschiedliche Hausnummer, unterschiedliche farbliche Gestaltung, unterschiedliche Grundstücke etc.) kam es im Ergebnis nach Auffassung des Gerichts nicht entscheidend an.
Beiden Gebäude wären aufgrund der geschlossenen Bauweise Teil einer „Blockbebauung“, welche von einem objektiven Dritten als Gesamtheit wahrgenommen würde. Zu beiden Gebäuden wäre der Zutritt über den gleichen Bürgersteig möglich und die Zugangsbereiche beider Betriebsstätten lägen nur wenige Meter weit auseinander.
Das Gericht begründet seine Entscheidung auch damit, dass Besucher, welche die Spielhalle verlassen sofort Blickkontakt mit dem Sportwettbüro hätten.
Das Gericht führt weiter aus, dass angesichts der Variationsbreite in der Rechtsprechung und in der Literatur zu Recht eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Gebäudekomplex“ anzunehmen sei. Diese hat sich daran zu orientieren, dass es sich um eine Maßnahme der Suchtprävention handelt. Das Gericht folgert hieraus, dass somit zwischen der Spielhalle und einem Sportwettbüro eine räumliche Nähebeziehung bestehen muss, um die Anwendung des § 21 Abs. 2 GlüStV zu bejahen. Die „Verfügbarkeit bzw. „Griffnähe“ der Glücksspiele sei nach Aussage des Gerichts „ein wesentlicher Faktor der Entwicklung und des Auslebens der Spielsucht“
Das Gericht gesteht aber auch zu, dass der Begriff „Gebäudekomplex“ gesetzlich nicht definiert ist und ein Rückgriff auf das öffentliche Baurecht zu kleiner Klärung führt.
„Architektonisch wird von einem Gebäudekomplex gesprochen, wenn eine Gruppe von Gebäuden, die baulich miteinander verbunden sind, als Gesamteinheit wahrgenommen werden“ wird mit Verweis auf früher Urteile, insbesondere des Bayrischen Verwaltungsgerichts vom 27.05.2014 ausgeführt. Dieses Gericht hatte bereits schon im Mai letzten Jahres entschieden :
„Die Zugänge zur Spielhalle und zur Annahmestelle lägen auf derselben Gebäudeseite in geringer Entfernung zueinander. Es bestehe somit ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen dem Angebot eines Wettbüros und einer Spielhalle, so dass von einem das Trennungsgebot rechtfertigenden engen räumlichen Zusammenhang wie bei einem Gebäude ausgegangen werden könne. § 21 Abs. 2 GlüStV sei eine Verbotsnorm, welche Konfliktfälle zu Lasten des Sportwettenvermittlers auflöse.“
Ein Komplex bezeichnet demnach „eine Zusammenfassung von Teilen oder eine zusammenhängende Gruppe“. Nach dieser Ansicht fällt unter „Gebäudekomplex“ auch die aus mehreren Gebäuden zusammengesetzte Bebauung, welche gerade für Innenstädte typisch ist.
Auch verfassungsrechtliche Bedenken wurden vom Oberverwaltungsgericht nicht gesehen. Dem mit der Regelung verfolgten Zweck der Suchtprävention käme angesichts der erheblichen Folgen pathologischen Spiel- und Wettverhaltens für den Einzelnen und die Allgemeinheit ein hohes Gewicht zu. Demgegenüber wiege das Verbot zur Vermittlung von Sportwetten nicht besonders schwer, zumal der Betreiber anderorts ein Wettbüro eröffnen könne.
Dies ist zwar theoretisch richtig, scheitert regelmäßig an einer baurechtlichen Zulässigkeit.
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg erscheint im Lichte des konkreten Einzelfalles möglicherweise vertretbar, jedoch wird man sich nun die Frage stellen müssen wie zukünftig ein „Näheverhältnis“ definiert wird. Gerade in Innenstädten sind oft auf mehreren hundert Meter „Gebäude an Gebäude“ gebaut. Wann befindet sich ein Sportwettbüro und eine Spielhalle nicht mehr in einer „räumlichen Nähebeziehung“? Muss ein Gebäude oder mehrere zwischen der Spielhalle und dem Sportwettbüro liegen? Kommt es darauf an, ob beide Betriebsstätten zum gleichen Bordstein hin ausgerichtet sind oder ob man Blickkontakt hat? Die Entscheidung löst die bisherige Problematik in kleinster Weise.
Es erscheint durchaus sehr fraglich, ob aneinandergebaute Gebäude oder Gebäude in geschlossener Bauweise grundsätzlich einen „Gebäudekomplex“ bilden, ohne Rücksicht auf die grundbuchrechtliche Situation. Der Gesetzgeber hat gerade im Hinblick auf die Sportwettbüros auf eine bei den Spielhallen vorhandene Abstandsregel verzichtet. Die nunmehr eingeschlagene Rechtsprechung führt aber über die Auslegung des Begriffes „Gebäudekomplex“ dennoch zu eine Art „Abstandsregelung“. Da Wettbüros häufig als Vergnügungsstätten zu bewerten sind, ist baurechtlich ihre Ansiedlung gerade in den Innenstädten (Kerngebieten) möglich und auch erwünscht. Aber gerade dort findet sich in aller Regel eine geschlossene Bauweise. Durch die nunmehr erfolgte Auslegung wird die Ansiedlung von neuen Sportwettbüros gerade in den Innenstadtlagen der größeren Städte in vielen Fällen nicht möglich sein.
Es wird sich zeigen, ob diese Entwicklung rechtlich Bestand haben wird und insbesondere verfassungsgemäß ist. Es bleibt aber zu befürchten, dass auch andere Verwaltungsgerichte sich dieser Auslegung anschließen werden.
Aus diesem Grund bietet die Kanzlei Benesch, Winkler Betreibern von Spielhallen und Sportwettbüros eine konkrete Standortanalyse an, um im Vorfeld abzuklären, ob einem geplanten Vorhaben rechtliche Hindernisse im Wege stehen.